ABC der Gefühle

«Das ABC der Gefühle»

Udo Baer, Gabriele Frick Baer

Verlag: Beltz
ISBN: 978-3-407-86634-9

60 Gefühle – von Angst, Eifersucht, Liebe über Neid, Scham, Trauer bis hin zu Vertrauen und Zuversicht. Welche Bedeutung haben Gefühle für unser Leben und unsere Gesundheit? Wann vermitteln Gefühle uns Glück und Balance und wie können wir mit ihren «störenden Geschwistern» umgehen?

Was ich an diesem Buch so gut finde

Jedes Gefühl schreibt aus seiner Sicht, stellt sich quasi persönlich vor und erzählt, wofür es in seinem Ursprung gedacht und sinnvoll ist. Ich finde, ein sehr schöner und leichter Zugang zu auch den für uns «schwierigeren» Begleitern.

zwei Gefühle stellen sich vor

Begeisterung

Im Unterschied zu meinen geschwätzigen Gefühlskolleginnen und -kollegen werde ich mich kurzfassen. Ich bin die Fortsetzung der Freude mit intensiveren Mitteln, ihre Steigerung. Voller Kraft. Ich kann Berge versetzen – und das ist keine Übertreibung. Ich fühle mich der Leidenschaft sehr schwesterlich verbunden, auch wenn ich heller, heiterer bin.

Etwas zu bewirken, Dinge und Verhältnisse zu verändern ist wahrscheinlich mein Daseinszweck. Obwohl ich diese Arbeit nicht nötig habe. Ich kann verändern, muss aber nicht.

Wenn ich als Begeisterung Menschen erfülle, dann reicht das manchmal und steht für sich. Ich tu ihnen gut. Den Leuten um sie herum gehe ich gelegentlich auf die Nerven, aber was soll’s, ich bin nur den Begeisterten und Begeisterungsfähigen verpflichtet.

Es gibt ja auch Menschen, die mich nicht produzieren oder einlassen können. Sie tragen ein Schild vor sich her: «Der Einwurf von Werbung für Begeisterung und ihre Verbreitung sind verboten!» Die Existenz solcher Schilder respektiere ich, muss ich respektieren, denn einen Zutritt zu erzwingen widerspricht meiner Natur. Warum solche Menschen mich nicht wollen, weiß ich nicht. Vielleicht bin ich für sie zu gefährlich und könnte ihr Leben umkrempeln, vielleicht bin ich ihnen schon immer verboten worden – keine Ahnung, da müssen Sie schon diese Leute fragen.

Ich geh nur dahin, wo ich erwünscht bin, dann aber richtig …

Vertrauen

Kleine Kinder kommen mit mir auf die Welt. Sie vertrauen ihrer Umwelt und wenden sich vertrauensvoll anderen Menschen zu. Man spricht von mir als etwas ganz Ursprünglichem und nennt mich dann Urvertrauen. In mir vereinen sich Gefühle der Geborgenheit, der Verbundenheit und Verbindlichkeit, der Zuversicht und der Selbstverständlichkeit. Ich werde verantwortlich gemacht – und lasse mich gerne verantwortlich machen – für die Beziehungs- und Liebesfähigkeit eines Menschen und seine Entwicklung von Selbstvertrauen. Leider gehe ich vielen Kindern und erst recht Erwachsenen verloren oder werde von meinen Feinden vertrieben.

Meine Feinde sind zahlreich. Der Verrat gehört dazu, der lang anhaltende Auswirkungen des Misstrauens hat. Auch sexuelle Gewalt und andere Gewalterfahrungen, Verachtung und Missachtung führen dazu, dass ich durch meinen Antipo-den, das Misstrauen, ersetzt werde. Wenn Menschen in ihren intimen und persönlichen Grenzen massiv verletzt wurden, wie sollen sie mich bewahren können? Als ursprüngliches, jedem Menschen innewohnendes Gefühl gehe ich da verloren.

Sogenannte «Erziehungssprüche» oder «Lebensweisheiten» wie «Du darfst niemandem vertrauen» oder «Vertraue nie einem Mann» tun ein Übriges. Ich werde unter diesen Umständen zwar vertrieben, aber ich kann eine zweite Chance bekommen. Das ist zwar mühsam und schwierig, aber man kann mich wiedergewinnen. Dazu braucht es Mut, dazu müssen Menschen sich trauen.

Vertrauen kommt von «trauen». Sie brauchen den Mut, sich anderen zuzuwenden und das Risiko einzugehen, sich zu öffnen und sich zuzumuten. Wenigstens ein bisschen und mit den Menschen beginnend, die Sympathie genießen und bei denen die Erfolgswahrscheinlichkeit am größten sind. Dann komme ich wieder.

Ich kann Ihnen nur sagen: Es lohnt sich.


voriger & nächster Beitrag